Mit Urteil 9C_178/2015 (zur Publikation vorgesehen) präzisiert das Bundesgericht die Rechtsprechung gemäss BGE 131 V 51 E. 5.1.2, wonach sich die Invalidität bei einer (hypothetisch im Gesundheitsfall) lediglich teilerwerbstätigen versicherten Person ohne Aufgabenbereich i.S.v. Art. 27 IVV nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs berechnet. Nach wie vor findet die gemischte Methode (gewichtete Berücksichtigung des Erwerbs- und Haushaltsbereichs) keine Anwendung, sondern es erfolgt eine Gegenüberstellung des Validen- und Invalidenlohnes. Die daraus resultierende Erwerbseinbusse darf gemäss neuem Urteil – analog zur gemischten Methode – nur proportional zum Pensum des erwerblichen Bereichs berücksichtigt werden.
Im vorliegenden Fall ersuchte eine versicherte Person um Revision ihrer Rente. Die Versicherte gab in den Abklärungen an, sie würde im Gesundheitsfall nur etwa 60% arbeiten. So viel wie eben notwendig, um zu leben. Gleichzeitig lebte die Versicherte seit einigen Jahren von ihrem Ehemann getrennt und hat zwei erwachsene Töchter. Das Bundesgericht schloss aus den Akten, die Versicherte führe keinen Haushalt, der den Aufwand einer alleinstehenden Person mit einem vollen Arbeitspensum übersteige. Die Reduktion des Pensums auf 60% diene damit der Freizeit, wodurch nach ständiger Rechtsprechung die gemischte Methode nicht zur Anwendung gelangen kann.
Zur Bemessung der Invalidität hat somit ein Einkommensvergleich zu erfolgen. Als Validenlohn wird hierfür das Einkommen berücksichtigt, welches die Versicherte als Gesunde im ausgeübten Teilzeitpensum tatsächlich erzielen würde. Das Invalideneinkommen bestimmt sich danach, was die Versicherte trotz Gesundheitsschaden noch verdienen könnte. Im vorliegenden Fall resultierte aus dem Einkommensvergleich eine 100% Erwerbseinbusse.
Das Bundesgericht führt aus, dass die Versicherte nach bisheriger Rechtsprechung somit einen IV- Grad von 100% aufweise. Dies würde aber zu einer Besserstellung von Teilzeitbeschäftigten ohne Aufgabengebiet gegenüber Teilzeitbeschäftigten mit Aufgabengebiet führen. Daher präzisiert das Bundesgericht seine Rechtsprechung in dem Sinne, als dass auch bei nicht- Anwendung der gemischten Methode die erwerbliche Einschränkung nur proportional berücksichtigt werden dürfe. Mit anderen Worten im vorliegenden Fall einer 60% tätigen Versicherten kann der IV- Grad maximal 60% betragen.
Die Rechtsprechung kann an folgenden Rechenbeispielen einer 100% arbeitsunfähigen Person (Beispiel 1) und einer 60% arbeitsunfähigen Person (Beispiel 2) gezeigt werden. Bitte beachten Sie, dass zu Illustrationszwecken hypothetische Einkommen und Arbeitsunfähigkeiten herangezogen werden.
Die Berechnung zeigt, dass Teilzeitbeschäftigte ohne Aufgabengebiet vor Änderung der Rechtsprechung oftmals besser gestellt waren, als Personen mit Aufgabengebiet. Insbesondere da die Praxis zeigt, dass die Einschränkungen im Haushalt oftmals viel geringfügiger als die Arbeitsunfähigkeit berechnet werden. Durch die Änderung der Rechtsprechung will das Bundesgericht die Ungleichbehandlung und den Anreiz, die gemischte Methode zu umgehen, beseitigen. Teilzeitbeschäftigte ohne Aufgabengebiet sollen nicht mehr den Vollerwerbstätigen gleichgestellt werden.
Jana Frässdorf, 01.07.2016
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